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„Eine Frau von Geschmack …

… könnte sich schwerlich in dieser bedrückenden Atmosphäre aufhalten.“ (Louis Vauxcelles, 1910)

Dieser Beitrag wurde auch bei Focus-Online veröffentlicht

Das harte Urteil von einem der ganz großen Kunstkritiker des 20. Jahrhunderts über die Arbeiten der Münchner Werkstätten im Pariser Salon D’Automne im Jahr 1910 ist nur eins der vielen Zitate aus der Ausstellung  Deutschland gegen Frankreich – Der Kampf um den Stil 1900-1930, die das Bröhan-Museum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus in Berlin-Charlottenburg gerade zeigt. Vauxcelles Satz lässt keinen Zweifel am explosiven Miteinander französischer und deutscher Stilentwicklungen dieser Zeit.

Vom Jugendstil in Deutschland und dem Art Nouveau in Frankreich um 1900 über Art Deco der Zwanzigerjahre bis zum Funktionalismus um 1930 präsentiert die Ausstellung  Möbel und Designobjekte, sogenannte angewandte Kunst, dies- und jenseits der deutsch-französischen Grenze. Vor dem politischen Hintergrund der damaligen Zeit – dem zurückliegenden Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und dem späteren Ersten Weltkrieg – wird auch die Frage nach dem ‚guten Stil‘ zum Gegeneinander beider Nationen. Wieviel Sprengstoff in dieser explosiven Paarung liegt, kündigt bereits der Ausstellungstitel an. Und so scheint es irgendwie logisch, dass Frankreich und Deutschland in Stilfragen auch nicht ohne einander können, sondern sich gegenseitig intensiv beeinflussen. Im Museum stehen die verschiedenen Wohnkonzepte, denen auch unterschiedliche Lebenskonzepte zu Grunde liegen, im Dialog zueinander. Gelungen finde ich nicht nur das Konzept hinter dieser Ausstellung, auch die Fülle der wunderschönen Exponate von Künstlern wie Heinrich Vogeler, Willi Baumeister, Joseph Maria Olbrich, Ludwig Mies van der Rohe, René Lalique, Henry van de Velde, Marcel Breuer, Alfons Mucha oder Le Corbusier haben mich verführt, viel länger als geplant im Museum zu bleiben.

Nachdrücklich in Erinnerung geblieben ist mir die Frankfurter Küche der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000). Ende der Zwanzigerjahre erfindet sie die Einbauküche, die mit millimetergenau auf den Grundriss des Raums berechneten Küchenmöbeln das Kochen und andere Arbeiten in der Küche ihren Nutzern so unkompliziert wie möglich machen sollen. Dunstabzug, Müllschlucker, ein nach hinten versetzter Sockel unter den Küchenelementen, glatte Fronten ohne Zwischenräume, in denen sich zuvor Staub fangen konnte, und viele praktische Details mehr kennzeichnen die Frankfurter Küche, die im 1925 gestarteten Siedlungsbauprogramm Neues Frankfurt in großer Stückzahl und je nach Grundriss in verschiedenen Varianten den Mietern zur Verfügung gestellt wurde. Besonderes Highlight war für mich eine komplette Frankfurter Küche in den Ausstellungsräumen sowie die Interviews mit Margarete Schütte-Lihotzky im Video.

Mein Fazit: Wer in die Formenwelten von Jugendstil, Art Deco und/oder in die gestalterische Sachlichkeit der Dreißigerjahre eintauchen und dem spannungsreichen Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich (nicht nur) in Fragen des Stils nachspüren will, sollte diese Ausstellung nicht verpassen. Sie läuft bis zum 11. September 2016.

Bröhan-Museum
Landesmuseum für Jugenstil, Art Deco und Funktionalismus
Schlossstraße 1a
14059 Berlin (am Schloss Charlottenburg)
Deutschland
www.broehan-museum.de/

Noch mehr Funktionales

Apropos alte Dinge: In der aktuellen motz, dem Berliner Straßenmagazin, gibt es einen Hinweis auf motz – Der Laden in der Friedrichstraße 226 in Kreuzberg. Dort gibt es Altes, noch Einsatzfähiges zu kaufen: Kleidung, Bücher, CDs, Klein-Möbel. Wer umgekehrt etwas Gebrauchsfähiges abgeben möchte, ist hier ebenfalls richtig. www.motz-berlin.de

20160429_164152Noch zwei Tipps zur Nahrungsaufnahme: Im lichtdurchfluteten Innenhof des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlins Mitte gibt es ein Bistro, in dem man schnell und lecker neue Energie tanken kann – mit Studioatmosphäre und Blick auf Kameras und Scheinwerfer.

ZDF-Hauptstadtstudio im Zollernhof
Unter den Linden 36-38
10115 Berlin (Mitte)

Neu entdeckt habe ich bei diesem Berlin-Besuch das italienische Restaurant La Cantina in der Bleibtreustraße 17, in der Nähe des Ku’damms. Etwas für  Genießer und schöne Abende.

(K)nackige Anblicke

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… bietet die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin. Sie ist in direkter Nähe zum Schloss Charlottenburg. Was die tolle Ausstellung der unzähligen lebens- und überlebensgroßen Statuen in diesen Tagen noch spannender macht, ist die Sonderausstellung Vorbildlich Bildlich von Thomas Räse. Denn seine Fotos hängen genau zwischen den Plastiken. Mehr noch, die Fotos stehen in einem direkten Bezug zu den Skulpturen. Hier trifft Antike auf Gegenwart, dreidimensionale auf zweidimensionale Kunst. Ob in nachdenklicher, beobachtender oder in lässiger Pose – hier finden viele antike Skulpturen ihr bildliches Gegenüber und kommen mit ihm ‚ins Gespräch‘. Sogar ‚halbe‘ Pferde korrespondieren miteinander. Manche Verbindungen sind wirklich witzig, andere regen zum Nachdenken an, alle sind gelungen. Finde ich zumindest.

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Entstanden sind die Fotos, wie der Ausstellungstext verrät, in den vergangenen drei Jahrzehnten und unabhängig von den Skulpturen. Das wird extra betont, denn die Bezüge und Assoziationen zwischen den einzelnen Fotos und Plastiken sind so frappierend, als seien sie schon immer miteinander verbunden gewesen. Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. Juni. Der Eintritt ist frei.

Abguss-Sammlung Antiker Plastik Berlin
Schloßstraße 69b
14059 Berlin
www.abguss-sammlung-berlin.de

Kaffeepause mit Berliner Charme

Nur wenige Gehminuten entfernt, am Klausenerplatz 5, gibt es das Galerie-Café Reet. Ein kleines Café mit besonderem Berliner Charme und leckerem Kuchen. Wenn ich in Charlottenburg bin, mache ich dort jedes Mal einen Zwischenstopp und genieße den Blick aus dem Fenster oder sitze direkt draußen. Nach einer oder auch mehreren Kaffeespezialitäten im Reet bin ich wieder fit für den Puls dieser Stadt.

Dieser Beitrag wurde auch bei Focus-Online veröffentlicht.