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Sommerfrische royale

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Kein strahlend blauer Himmel heute, aber trocken. Das ist gut. Ich mache mich auf den Weg zum Feriensitz, pardon, zur Sommerresidenz der königlichen Familie in Balmoral. Das Schloss liegt am Fluss Dee unterhalb des Berges Lochnagar in den Grampian Mountains. Hier ist die Queen privat, denn offizielle Residenz in Schottland ist der Palace of Holyrood House in Edinburgh. 20160718_151449Zwei Stunden dauert die Fahrt, bis ich schließlich den Besucherparkplatz von Balmoral erreiche. Weil die Queen gerade nicht anwesend ist, dürfen Fremde auf das riesige Anwesen. Obwohl es eine Warteschlange an der Kasse gab, verlaufen sich die vielen Besucher schnell auf dem Gelände. Die 20160718_151525Gartenanlagen, in denen auch Gemüse für den Bedarf im Schloss angebaut wird, haben mich schon bei meinem ersten Besuch vor vier Jahren fasziniert. Mindestens eine Stunde sitze ich an einen dicken Baumstamm gelehnt auf dem warmen Rasen und genieße die Ruhe und Heiterkeit dieses Ortes. Dann mache ich noch einen Rundgang durch den Ballsaal, den einzigen Raum im Schloss, den Besucher betreten dürfen, bevor ich mich zu einer Pause im nahe gelegenen Tea Room entschließe. Warum ich mir dann jedoch die Strass-Replik eines (dezenten) königlichen Brillant-Colliers kaufe, wird mir wohl ein Rätsel bleiben. Zumindest sieht die Kette hübsch aus und wird mich an diesen entspannten Nachmittag erinnern …

Die Geister der Vergangenheit

Es bleibt noch Zeit für einen weiteren Stopp. Nur wenige Meilen von Balmoral entfernt liegt nämlich das Örtchen Braemar. Hier hat Robert Louis Stevenson 1881 wichtige Passagen seines Abenteuerromans Die Schatzinsel geschrieben. Außerdem finden hier an jedem ersten Samstag im September die vielleicht bekanntesten Highland Games statt, das Braemar Gathering. Auch die Queen ist dabei. Und20160716_143722 - Kopie mit ihr 15 – 20.000 Besucher, die jedes Jahr erwartet werden. Ich kann mir kaum vorstellen, wie der kleine Ort so viele Menschen bewältigt. Mindesten zwei Jahre vorher muss man sich anmelden, um ein Hotelzimmer oder eine andere Unterkunft zu ergattern. Das erfahre ich von der Ehefrau eines Sporran-Machers (traditionelle Geldbörse, die über dem Kilt getragen wird). Das Ehepaar betreibt im Zentrum des Ortes ein kleines Geschäft. Weil die Werkstatt des Mannes im hinteren Teil des Ladens liegt, schaue ich ihm eine Weile bei der Arbeit zu und versuche ein Gespräch zu beginnen. Doch ich bekomme keine Antwort auf meine Fragen. Nicht einmal ein Kopfnicken. Vielleicht hätte ich zuvor seiner Frau nicht erzählen sollen, dass ich bei einem Trödelhändler in Melrose einen wunderbaren alten Leder-Sporran erstanden habe, den ich als Handtasche tragen werde. Anders als der Sporran-Macher hat der Antik-Händler in Melrose schallend gelacht, als ich die geplante Nutzung erwähnte.

20160716_122916 - KopieVor den Toren des Ortes liegt Braemar Castle. Sternförmig zieht sich eine Ringmauer um das Schloss, was militärische Vorteile bei Artilleriebeschuss bringen sollte, wie der Museumsführer erläutert. Eine dreiköpfige Familie aus Irland und ich hören seinem unterhaltsamen Vortrag aufmerksam zu. Das Schloss wird vom Ort Braemar – beziehungsweise dem dortigen Förderverein – unterhalten. Sämtliche Kosten werden über Eintritt, Veranstaltungen und ganz viel privates Engagement gestemmt. Auch bei unserem Schlossführer spürt man die Liebe zu diesem Bauwerk und seiner Geschichte.

Das 1628 errichtete Braemar Castle war Jagdschloss der schottischen Könige, diente aber auch zur Verteidigung gegen den Clan der Farquharsons, der sich schon früh der englischen Regierung angeschlossen hatte. John Farquharson, der als Black Colonel in die Geschichte des Schlosses einging, brannte Braemar 1689 schließlich nieder, nachdem er es zuvor erobert hatte. Das Schloss sollte bis 1748 eine Ruine bleiben.

Die Jakobitenaufstände spielten ebenfalls für das Schicksal von Braemar Castle eine wichtige Rolle. Denn der Nachfahre des Erbauers, der 23. Earl of Mar, war Anhänger Bonnie Prince Charlies und führte die Aufstände 1715 an. Das blieb nach der Niederlage von Culloden 1746 nicht ohne Folgen, denn die Krone beschlagnahmte Braemar Castle und übergab es dem Farquharson-Clan für treue Unterstützung. Jedoch pachtete die Krone das Schloss, um es Mitte des 18. Jahrhunderts wieder aufzubauen und als Garnison zu nutzen. Ab 1831 bekam der Clan Farquharson das Schloss zurück und baute es zu einem Wohnhaus um. Auch Queen Victoria soll hier residiert haben, bevor sie schließlich Balmoral für sich entdeckte. Heute befindet sich Braemer Castle zwar noch immer im Besitz des Farquharson-Clans, wurde jedoch 2006 an die Gemeinde übergeben, die sich nun um den Erhalt kümmert.

Ich mag dieses ungewöhnliche Schloss mit den kleinen Erkertürmen und der sich links drehenden Wendeltreppe über fünf Stockwerke. Und es hat alles, was man von einem ordentlichen Schloss erwartet: Prächtig verzierte Stuckdecken, einen Drawing Room, Speise-, Morgen-, Laird’s- und Rosen-Raum. Passend ausgestattete Gästezimmer für die Dame und den Herrn, gewaltige Pfostenbetten und rosafarbene Bäder. Natürlich fehlt auch die Küche nicht und leider gibt es auch das Kellerverlies. Und drei Gespenster. Mindestens. So soll der Geist einer jungen Frau Frischvermählte heimsuchen, die ihre Hochzeitsnacht im Schloss verbringen. Während ihrer eigenen Flitterwochen auf Schloss Braemar erwachte sie eines Morgens und glaubte, ihr Mann habe sie verlassen. Daraufhin nahm sie sich das Leben. Dann gibt es noch den Geist eines Dudelsackspielers sowie des Black Colonels, der öfter im Schloss gesehen wird und dessen Pfeifenrauch zu riechen sein soll.

Mir wird kalt bei all diesen Geschichten und so bin ich froh, dass die Führung außerhalb des Schlosses weitergeht. Unser humorvoller Schlossführer hantiert plötzlich mit einem Baumstamm, den er dann gekonnt in die Luft wirft. Der Baumstamm dreht sich um 180 Grad, landet auf der ‚Spitze‘ und fällt schließlich der Länge nach auf den Boden. Dabei bildet er eine Längslinie zum Werfer, was den Mann offensichtlich freut. Auch wenn der Baumstamm deutlich kürzer und dünner ist als üblich, haben wir gerade eine Darbietung des caber toss bekommen, einer der traditionellen Disziplinen der Highland Games. Leider lässt unser engagierter Schlossführer es dabei nicht bewenden, und der Ire und ich müssen ebenfalls zum caber toss antreten. Und tatsächlich bin ich ein bisschen stolz, als der Baumstamm halbwegs gerade auf dem Boden aufkommt, nachdem er sich zuvor tatsächlich einmal in der Luft gedreht hat. Und warm ist mir auch wieder.

SOME LIKE IT SCOT

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Zugegeben, der Titel ist nicht von mir. Die witzige Abwandlung des 1959 entstandenen Billy-Wilder-Klassikers Some like it hot habe ich zuletzt auf einem Plakat mit dem schönen Konterfei eines aktuellen Highland-Filmhelden gelesen. Also nicht ganz neu, aber passend. Zumindest für mich, denn vor mir liegen gut zwei Wochen Schottland. Mit dem Mietwagen, wie üblich. Zuerst stehen die Lowlands auf dem Programm. Diese scheinen manchmal hinter den vermeintlich spannenderen Highlands zu verschwinden. Doch ich finde das Grenzgebiet zwischen England und Schottland mit den sanften grünen Hügeln, den malerischen Küstenregionen an Ost- und Westseite des Landes und den vielen architektonischen und sonstigen Zeugnissen einer überaus lebhaften und wechselvollen Vergangenheit genauso spannend, wie den größeren Landesteil jenseits der Forth Bridge.

Kaum ist mein Flugzeug in Edinburgh gelandet – von Düsseldorf aus dauert der Flug nur knapp eineinhalb Stunden – finde ich mich auch schon mit Koffer und Rucksack am Schalter meines Autovermieters ein. Mein Mann, der nicht mitreisen konnte, hat mich von einem etwas größeren Modell überzeugt, damit ich im Linksverkehr gut geschützt sei. Darum sitze ich nun allein in einem Auto, in dem noch Platz für mindestens vier Mitfahrer und deren Gepäck wäre. Leider ist durch den breiteren Wagen auch der Abstand zu parallel zur Fahrbahn parkenden Autos kleiner geworden. Ein Punkt, an den ich mich beim Fahren im Linksverkehr ohnehin immer gewöhnen muss, egal, wie groß oder klein das Auto ist. Prima hingegen finde ich die vielen Roundabouts, die auf der britischen Insel die Kreuzungen weitgehend ersetzen.

Mein erstes Hotel ist in der Nähe von Peebles. Die schöne Kleinstadt wiederum liegt gut 20 Meilen südlich von Edinburgh in den Scottish Borders. Ich kenne Peebles schon von früheren Besuchen und genau darum zieht es mich immer wieder hierhin. Denn die Stadt hat durch ihre architektonischen Sehenswürdigkeiten, wie die Old Parish Church mit Kronenturm, dem Neidpath Castle, dem Fluss Tweed, schönen Geschäften, Gässchen und Museen sowie einer Kunsthandwerker-Szene einiges zu bieten. Mit verschiedenen20160711_114821 Festivals rund um die Themen Jazz und Kunst weiß die Stadt außerdem zu feiern. Am bekanntesten ist wohl das Beltane-Festival zum Sommerbeginn, das in der 3. Juniwoche stattfindet und seine Wurzeln in der keltischen Mythologie und Religion hat. Vielleicht sollte ich für nächstes Jahr schon einmal für diesen Zeitraum buchen.

1152 hat König David I. von Schottland Peebles den Rang einer Royal Burgh verliehen. Und aus dieser Zeit gibt es sogar noch den Turm der St Andrews Kirche, während das auf der Hauptstraße stehende Mercat Kreuz Peebles als alte Marktstadt ausweist. 20160707_214300Apropos Kirche, auf einem Straßenschild lese ich Cross Kirk. Scots, eine westgermanische Sprache, die in den schottischen Lowlands, den Southern Uplands und in den Regionen um Glasgow und Edinburgh gesprochen wird, – nicht jedoch im ‚gälischen Schottland‘ der Highlands und Hebriden-Inseln – hört man hier nicht nur in der Aussprache, sondern findet es auch in der Schriftsprache – wie hier Blau auf Weiß. Scots ist übrigens nicht mit dem schottischen Englisch gleichzusetzen, der heutigen Amts- und Bildungssprache in Schottland, sondern eine eigene Sprache.

20160711_111521Mein erster Besuch in Peebles liegt inzwischen elf Jahre zurück. Damals erschien mir ein Ausflug in den gut 8.500 Einwohner zählenden Ort wie eine Fahrt in die große Stadt. Gemeinsam mit vier Bekannten genoss ich damals umgebende Natur und Einsamkeit in einem wunderschönen Ferienhaus in Drumelzier, einem Örtchen, das ebenfalls im Tal des Flusses Tweed und nur wenige Meilen von Peebles entfernt liegt. Direkt neben dem Haus plätscherte ein kleiner Bach und gleich dahinter stieg ein grüner Hügel an.20160712_104734 - Kopie

20160708_201132Doch als Alleinreisende ziehe ich diesmal die Geselligkeit in einem Hotel vor. Mit dem Mercure Peebles Baronet Castle Hotel habe ich Glück. Es sieht nicht nur von außen schön aus, es ist auch von innen ein Ort, an dem ich die nächsten fünf Tage verbringen will. Denn so lange werde ich mich in den Scottish Borders aufhalten, bevor es weitergeht in die Highlands. Nach einem ausgiebigen Abendessen im Hotelrestaurant mache ich mich auf den langen  Weg durch viele enge Flure zurück in mein Zimmer. Die Böden und sogar die Treppen sind hier mit großkarierten Teppichen belegt. Und dann glaube ich einen Moment lang tatsächlich zu träumen. In einem der Flure kommt mir ein festlich gekleideter und sehr attraktiver Mann mit schwarzen Haaren, Bart, Jackett, Weste, Hemd und Schlips entgegen. Ich wage einen Blick auf den unteren Teil seiner Bekleidung, der aus einem grün-blau-karierten Kilt und farblich passenden Strümpfen, einem Sporran (Geldtasche), einem Gürtel mit auffallender Schnalle sowie dem Sgian Dubhs (Messer) im Strumpf besteht. Abgerundet wird die Bekleidung von den passenden Ghillies Brogues (Schuhen) mit den besonderen Lochmustern und den mehrfach um die Fesseln geschlungenen Schnüren. Bei diesem Anblick verschlägt  es mir erst einmal die Sprache. Zum Glück ergreift der Mann das Wort und wir tauschen schließlich ein paar Höflichkeiten aus, während wir uns in dem zugegeben sehr engen Gang aneinander vorbei bewegen. Dabei stelle ich fest, dass der Mann sogar ein wunderschönes Lachen hat. Wird hier vielleicht ein Film gedreht und ich stehe gerade vor dem Helden der Geschichte? Einen Moment lang liegt mir tatsächlich die Frage auf der Zunge, ob ich vielleicht ein Foto von ihm … mein Handy wäre griffbereit. Doch dann sind wir zum Glück schon aneinander vorbei und ich habe mir diese Peinlichkeit erspart.

20160710_152937 - KopieGanz beschwingt erreiche ich mein Zimmer im dritten Stock, wo ich mich wie das Burgfräulein persönlich fühle und einen schönen Blick in den Schlossgarten habe. Und siehe da, das Rätsel löst sich. Dort unten versammeln sich gerade Gäste einer Hochzeitsfeier. Auch mein Held aus dem Gang trifft in diesem Moment ein. Und er ist nicht allein, denn als ich nun den Blick über die fröhliche Gesellschaft schweifen lasse, erkenne ich, dass mindestens ein Drittel der anwesenden Herren Kilt trägt. Ich bin wirklich wieder in Schottland …