Wo Rauch ist …
… gibt’s natürlich auch Feuer. Und an diesem etwas kühleren Tag in den Grampian Mountains der schottischen Highlands kommt mir das gerade recht, um ein paar Minuten zu verweilen und mich umzuschauen. Sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Dieses Haus hat nämlich keine Fenster, sondern – abgesehen vom Eingang – nur mit Erde verfüllte Wände aus Trockensteinmauern. Ich befinde mich in einem Blackhouse der Siedlung Baile Gean aus dem 18. Jahrhundert. Und dieses Haus wurde zusammen mit sechs weiteren Blackhouses aus der ursprünglichen Siedlung Badenoch aus einem Tal des Flusses Spey hier im Highland Folk Museum in Newtonmore rekonstruiert.
Das Freilichtmuseum geht auf die Edinburgherin Isabel Frances Grant zurück, die bereits 1935 begann, Einrichtungen aus alten schottischen Häusern zu sammeln, um diese für die Nachwelt zu erhalten. Mit dem Highland Folk Museum ist inzwischen ein eindrucksvolles Areal entstanden, das Wohn- und Arbeitsbedingungen in den Highlands von der frühen Neuzeit bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg präsentiert. Manche Gebäude sind sogar Originale, die hierhin transportiert und wieder aufgebaut wurden.
Es gibt einen Bauernhof aus dem 19. Jahrhundert, ein Dorf aus den Dreißigern des letzten Jahrhunderts mit Kirche, Handwerkerhäusern von Schneider, Uhrmacher und Schreiner, einer Post und kleinem Laden. Und einer Schule. Da sich gerade ein heftiger Regenschauer ankündigt, suche ich hier Unterschlupf. Und komme vom Regen in die Traufe. Zumindest bildlich betrachtet. Ich gerate nämlich mitten in eine Schulstunde, bekomme gleich an der Tür ein Blatt mit Schreibfeder ausgehändigt und werde gebeten, nein, aufgefordert, auf einer der alten Schulbänke Platz zu nehmen und einen Test mitzuschreiben. Leider sind die Tintenfässchen vorn im Pult tatsächlich gefüllt und es gibt keine Ausrede. Während ich fleißig vor mich hinschreibe, erklärt ‚unser Lehrer‘ uns den Schulalltag in den Dreißigern. Als er uns den Lederriemen und dessen häufigen Einsatz bis weit in die Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts einprägsam beschreibt, kratze ich direkt ein bisschen schneller mit der Feder über das Blatt. Nach einer Dreiviertelstunde verlasse ich den Klassenraum um einiges klüger, was den harten und langen Tag eines Highland-Schülers der 1930er Jahre betrifft. Für meinen Test bekomme ich übrigens – entsprechend des britischen Schulsystems – eine 9 bis 10. Ich überlege ernsthaft, mir das Blatt einzurahmen.
Doch zurück ins Blackhouse: In der Mitte des Raums brennt das traditionelle Torffeuer, darüber ist im Reetdach ein Loch zum Abzug des Rauches. Der frisst sich trotzdem sekundenschnell in meine Nase, Haare und Kleidung. Dabei ist das hier noch die angenehme Variante. Auf der Isle of Harris hatten die Blackhouses keinen Abzug über der permanent brennenden Feuerstelle. Und wenn die Luft im gesamten Haus vom Rauch gesättigt war, bahnte dieser sich seinen Weg durch das geschlossene Reetdach. Aus dem Dach dieses Blackhouses steigen ebenfalls Qualmwolken auf und vermitteln von Weitem erst einmal den Eindruck, das ganze Haus gehe gleich in Flammen auf.
Ich werfe einen letzten Blick auf die karge Einrichtung aus Bett, Stühlen und Kochstelle, gehe noch einmal zu dem Teil des Raums, in dem das Vieh untergebracht war, und verlasse das Blackhouse. Vor der Tür stehen fünf Frauen in fröhlicher Runde. Zwei von ihnen tragen zeitgenössische Kleidung aus dem 17. Jahrhundert, die anderen drei sind Besucherinnen. Ich geselle mich zu ihnen und erfahre, dass die Touristinnen aus England, Irland und den USA kommen. Die Unterhaltung dauert an und wir lachen viel. Wahrscheinlich haben auch die anderen drei Besucherinnen zuvor die Schulbank gedrückt und ihre Ausgelassenheit ist einfach Ausdruck der Erleichterung, dem strengen Lehrer wieder entkommen zu sein.