Da guckte die Queen

Auf der M 90 geht es nun nach Norden. Vorbei an Perth und weiter nach Pitlochry. Kurz dahinter beginnen schon die Grampian Mountains. Doch ich mache erst einmal Halt in dem malerischen Ort.
Ceud mile fàilte

‚100.000 Willkommen‘ heißt der gälische Gruß am Ortseingang von Pitlochry. Die knapp 3000 Einwohner zählende Stadt am Fluss Tummel lädt zu einem kleinen Bummel durch die reich mit Blumen geschmückten Straßen ein. Entstanden sein soll sie,
nachdem ein britischer General 1725 eine Straße an dieser Stelle bauen ließ. Ziel war, nach den Jakobiten-Aufständen 1715 die bisher
schwierig erreichbaren ländlichen Regionen in den Highlands zugänglich zu machen. Mehr als hundert Jahre später lenkte Queen Victoria (1819-1901) mit ihrem Besuch das Interesse der Öffentlichkeit auf Pitlochry. Dieses ist heute vor allem für seine 311 Meter lange Lachsleiter bekannt.

Beliebt bei Königinnen
Nur wenige Meilen entfernt gibt es noch einen Ort, dem der Besuch Queen Victorias Berühmtheit gebracht hat. Der sogenannte Queen’s View. Auf dem Weg zu meinem Hotel biege ich hinter Pitlochry nach Westen ab. Die Straße ist sehr eng und ausgesprochen kurvenreich. Zudem ist sie so schmal, dass nur ein Auto darauf zu passen scheint. Schon nach kurzer Zeit werde ich eines Besseren belehrt. Als ich schließlich an einem Schild vorbeifahre, das auf den Queen’s View aufmerksam macht, wundere ich mich nicht länger über den regen Verkehr und entscheide mich ebenfalls spontan für einen Zwischenstopp. Dafür werde ich mit einem herrlichen Blick auf Loch Tummel und die bewaldeten Hügel ringsum belohnt. Ganz im Hintergrund ragen sogar die schroffen Bergen des Glen Coe auf.
Die Bilder von Queen Victoria in und um das neue Besucherzentrum vermitteln den Eindruck, der Name der Plattform mit dem wunderbaren Ausblick rühre von dieser Queen her. Doch der Queen’s View trug seinen Namen schon vor Queen Victorias Besuch und soll sich auf die Ehefrau des Schottenkönigs Robert the Bruce (1274-1329) beziehen. Diese war – nur zeitversetzt um ein paar Jahrhunderte – ebenfalls hier.
Noch ein Traumblick für süße Träume
Nach einer Dreiviertelstunde kurvenreicher Fahrt durch die schottische Einsamkeit erreiche ich schließlich Kinloch Rannoch, meine nächste Station für eine ganze Woche. Es ist ein hübscher, sehr kleiner Ort umgeben von Bergen. Mein Hotel liegt direkt am See Rannoch. Und der Parkplatz, auf
dem sogar ein Wagen mit der Emily als Kühlerfigur steht (mutig, angesichts der engen Straße), lässt darauf schließen, dass es hier gar nicht so einsam ist. In der Lobby empfängt mich ein harmonisches Miteinander unterschiedlichster Karos: Auf dem Boden, den Kissen, Sofas, Sesseln und Stühlen. Nach einer fröhlichen und ausführlichen Begrüßung durch die freundliche Mitarbeiterin an der Rezeption mache ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Und kann – dort angekommen – mein Glück kaum fassen angesichts dieses Ausblicks auf den See. Sogar ein Stück des Bergs Schiehallion ist im ‚Bild‘. Der weite Weg hat sich gelohnt!





Darum führt mich mein Weg zuerst nach Priorwood Garden. Hier ist es viel stiller als in der Abbey. Auf einer Bank zwischen Obstbäumen sitzend stelle ich mir vor, wie das Leben der Mönche hier wohl im 12. Jahrhundert verlaufen ist. Sie gehörten dem Orden der Zisterzienser an und ihr Tag war vermutlich von Gebeten und strengen Übungen geprägt. Unterstützung – vor allem bei den schweren körperlichen und anderen alltäglichen Arbeiten – erhielt der Orden von sogenannten Laienbrüdern. Ihnen war für den Gottesdienst der hintere Kirchenteil bestimmt. Die Laienbrüder kamen aus der nahen Umgebung, und fanden hier sichere Arbeit, Essen und eine Unterkunft.
Dieser Ururururenkel von König David I. kämpfte während des ersten schottischen Unabhängigkeitskriegs (1296-1328) als Anführer der aufständischen Schotten gegen England. Das Herz von Robert the Bruce wurde von einem Kreuzzug zurück nach Schottland gebracht. 1560 endete schließlich das mönchische Leben von Melrose aufgrund der Reformation.
Natürlich bin ich nach meinem Aufenthalt in Priorwood Garden endlich zur Abtei gegangen. Nach einem ausführlichen Gang durch das Innere der Ruine, einem Weg über den Friedhof mit den uralten Grabsteinen und einem Blick auf das Melrose-Schwein mit Dudelsack, einer Skulptur an der Außenseite des Gemäuers, habe ich schließlich noch das Commendator’s House aus dem Jahr 1590 auf dem Abtei-Gelände besucht. Dieses ist heute ein kleines Museum mit Exponaten, die rund um das Kloster gefunden wurden. Und dort konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, für ein paar Augenblicke selbst einmal Mönch, beziehungsweise Nonne zu sein.
Zum Abschluss bin ich noch einmal zur Abteiruine zurückgekehrt und die kleine Treppe zur engen Aussichtsplattform hoch oben neben den Zinnen gestiegen und habe den Blick in die umliegenden Eildon Hills
genossen. König Artus soll dort begraben liegen. Und gar nicht weit entfernt, in der Dryburgh Abbey, hat Sir Walter Scott, der schottische Schriftsteller, seine letzte Ruhe gefunden. In direkter Nähe zu seinem Wohnsitz Abbotsford House. Doch den Besuch dort hebe ich mir für einen anderen Tag auf …