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Von keltischen Barden und schottischen Familienbanden

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Ist erst einmal die morgendliche Dreiviertelstunde Fahrt von meinem Hotel bis zur Hauptstraße geschafft, werden die Straßen in Richtung Grampian Mountains auch schon breiter. Dafür sind sie hier auch stärker genutzt. Sowohl von Autofahrern als von Schafen. Und natürlich von Zweiradfahrern, die sich den Hochlandwind um die Nase wehen lassen. Würde mir auch gefallen.

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Dem Erfinder von Ossian auf der  Spur

Mein heutiger Weg führt mich noch einmal nach Newtonmore in den Grampian Mountains. Außer dem Highland Folk Museum gibt es dort nämlich ein zweites Museum, auf das ich gespannt bin. Das Clan Macpherson Museum. Vor einigen Tagen habe ich gelesen, dass der schottische Schriftsteller und Politiker James Macpherson (1736 – 1796)  ganz in der Nähe, nämlich in Ruthven, gelebt haben soll. Auf Ruthven bin ich durch die eindrucksvolle Ruine gleichen Namens gestoßen. Auf James Macpherson und die Fragments of Ancient Poetry (1760) hingegen wurde ich bereits vor vielen Jahren beim Thema englische (beziehungsweise schottische) Romantik aufmerksam.20160715_145937 - Kopie

Schon während seines Studiums in Aberdeen und Edinburgh schrieb der junge Macpherson Gedichte. Große Bekanntheit erlangte er jedoch erst durch die angebliche Entdeckung der Werke des keltischen Barden Ossian. Dieser erzählt in seinen Gedichten von den Heldentaten und dem Untergang seines Volkes, dessen letzter Überlebender er ist. Ein blinder Weiser, der bisweilen auch als nordischer Homer bezeichnet wird.

Die Ossianischen Gesänge erschienen während der Frühphase der Romantik. Es war eine Zeit der Hinwendung zum Norden und einer verklärten und verklärenden Sicht auf dessen Geschichte. Bisweilen wurde diese nachträglich ‚passend‘ gemacht oder einfach neu erfunden. Wie im Fall Ossian. Oder besser gesagt, im Fall des James Macpherson. Denn er war der eigentliche Urheber der angeblich im Hochland zusammengetragenen Schriften. Der ersten folgten sogar weitere Veröffentlichungen vermeintlich uralter Verskunst: Fingal, an Ancient Epic Poem in Six Books (1761), Temora (1763) sowie The Works of Ossian (1765). Und die Werke wurden auch noch in andere Sprachen übersetzt. Ein Teil der europäischen Welt jubelte. Musste man jetzt nicht mehr ausschließlich aus den kulturellen Quellen der Antike schöpfen, sondern konnte endlich auch auf ‚eigene‘ Wurzeln zurückgreifen. Damit war Ossian aus der englischen Romantik nicht mehr wegzudenken und frühe Zweifler an der Echtheit der Werke fanden kein Gehör.

Erst Jahre später wurden die Ossianischen Gesänge öffentlich als Fälschungen entlarvt. James Macpherson indessen wurde Mitglied des britischen Parlaments und blieb es bis zu seinem Tode.

Ossian ist doch keine Erfindung

… dachte ich, als ich das Clan Macpherson Museum in Newtonmore betrete und herzlich von einem langgelockten Mann im Kilt begrüßt werde. Und während ich mich frage, ob er vielleicht ein Nachfahre des legendären Barden Ossian sei, überrascht er mich gleich noch einmal. Diesmal mit der Frage, ob ich eine Macpherson sei. Nachdem ich lachend verneint habe, erzählt er mir, dass hierher Macphersons aus der ganzen Welt kämen, um ihre schottischen Wurzeln aufzuspüren. Das gefällt mir und fast bedaure ich, keine Macpherson zu sein.

Als ich ihn nach James, dem Ossian-Erfinder, frage, lacht er diesmal und deutet auf den hinteren Teil der Ausstellung. Dort sei Ossian und seinem Verfasser sogar ein ganzes Kapitel gewidmet. Ich werde neugierig. Bevor ich mich jedoch auf den Weg durch die Ausstellung mache, nehme ich das Angebot des Mannes im Kilt an und schaue mir zuerst ein zehnminütiges Video über den Macpherson-Clan an. Und wieder denke ich, dass es vielleicht schön wäre, selbst zu einem solchen Clan zu gehören.

Ich bleibe lange in der Ausstellung. Sie erzählt die Geschichte des Clans von frühestem Beginn an. Genauer beginne ich zu lesen, als ich bei den Jakobiten-Aufständen ankomme. Das Hochland war damals zerrissen zwischen der Regierungs-Gefolgschaft und der Unterstützung des Stuart-Prinzen. Die Entscheidung für die eine oder die andere Seite war komplizierter als es manche Beschreibungen glauben machen wollen. Und es war längst kein Konflikt England gegen die Highland-Clans. Oft stand ein Clan nicht geschlossen für die eine oder andere Sache. Sogar Eheleute kämpften bisweilen auf verschiedenen politischen Seiten. Doch das ist ein anderes Kapitel. Langsam folge ich der weiteren Ausstellung und stehe bald vor heraldischen Zeugnissen, Wappen und den typischen Attributen des Highland Dresses, bis mich schließlich ein sehr ernstes Kapitel zum Ersten und Zweiten Weltkrieg  wieder zum längeren Verweilen bringt.

Die wenigen anderen Besucher haben mich längst überholt. Nicht, dass ich die Texte Wort für Wort lese. Es sind zu viele, um sich deren Inhalte zu merken. Aber ich betrachte eingehend die Exponate, Zeugnisse einer langen Familientradition und eines starken Gefühls der Verbundenheit. Der letzte Ausstellungsteil ist Clan-Mitgliedern gewidmet, die öffentliche Positionen inne hatten oder haben. Viele Politiker sind dabei, aber auch bedeutende Wissenschaftler und Künstler. Und dann entdecke ich noch das Model Elle Macpherson. Na klar, sie heißt ja auch so.

Bevor ich das Museum verlasse, komme ich noch einmal mit dem netten Mann ins Gespräch. Natürlich ist auch er ein Macpherson. Dieses Museum ist klein, aber es ist mit Herzblut gestaltet. Bei meinem nächsten Besuch in den Grampian Mountains komme ich wieder hierhin. Und wer weiß, vielleicht behaupte ich dann einfach, eine Macpherson zu sein. Das passende Clan-Abzeichen und eine DVD mit der ausführlichen Geschichte der Macphersons kaufe ich mir jedenfalls im kleinen Museumshop. Und als ich endlich gehen will, fällt mein Blick noch auf eine CD. Darauf ist ein keltischer Steinkreis zu sehen. Trees and Stones heißt sie. Die Lieder besingen – den Titeln nach zu schließen – die alten Zeiten und die Natur. Als ich die Rückseite betrachte, fällt mir fast die Kinnlade herunter. Interpret und Komponist ist der Museumsmann.

Ich hatte also Recht. Er ist wirklich ein Nachfahre des keltischen Barden Ossian …

SOME LIKE IT SCOT

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Zugegeben, der Titel ist nicht von mir. Die witzige Abwandlung des 1959 entstandenen Billy-Wilder-Klassikers Some like it hot habe ich zuletzt auf einem Plakat mit dem schönen Konterfei eines aktuellen Highland-Filmhelden gelesen. Also nicht ganz neu, aber passend. Zumindest für mich, denn vor mir liegen gut zwei Wochen Schottland. Mit dem Mietwagen, wie üblich. Zuerst stehen die Lowlands auf dem Programm. Diese scheinen manchmal hinter den vermeintlich spannenderen Highlands zu verschwinden. Doch ich finde das Grenzgebiet zwischen England und Schottland mit den sanften grünen Hügeln, den malerischen Küstenregionen an Ost- und Westseite des Landes und den vielen architektonischen und sonstigen Zeugnissen einer überaus lebhaften und wechselvollen Vergangenheit genauso spannend, wie den größeren Landesteil jenseits der Forth Bridge.

Kaum ist mein Flugzeug in Edinburgh gelandet – von Düsseldorf aus dauert der Flug nur knapp eineinhalb Stunden – finde ich mich auch schon mit Koffer und Rucksack am Schalter meines Autovermieters ein. Mein Mann, der nicht mitreisen konnte, hat mich von einem etwas größeren Modell überzeugt, damit ich im Linksverkehr gut geschützt sei. Darum sitze ich nun allein in einem Auto, in dem noch Platz für mindestens vier Mitfahrer und deren Gepäck wäre. Leider ist durch den breiteren Wagen auch der Abstand zu parallel zur Fahrbahn parkenden Autos kleiner geworden. Ein Punkt, an den ich mich beim Fahren im Linksverkehr ohnehin immer gewöhnen muss, egal, wie groß oder klein das Auto ist. Prima hingegen finde ich die vielen Roundabouts, die auf der britischen Insel die Kreuzungen weitgehend ersetzen.

Mein erstes Hotel ist in der Nähe von Peebles. Die schöne Kleinstadt wiederum liegt gut 20 Meilen südlich von Edinburgh in den Scottish Borders. Ich kenne Peebles schon von früheren Besuchen und genau darum zieht es mich immer wieder hierhin. Denn die Stadt hat durch ihre architektonischen Sehenswürdigkeiten, wie die Old Parish Church mit Kronenturm, dem Neidpath Castle, dem Fluss Tweed, schönen Geschäften, Gässchen und Museen sowie einer Kunsthandwerker-Szene einiges zu bieten. Mit verschiedenen20160711_114821 Festivals rund um die Themen Jazz und Kunst weiß die Stadt außerdem zu feiern. Am bekanntesten ist wohl das Beltane-Festival zum Sommerbeginn, das in der 3. Juniwoche stattfindet und seine Wurzeln in der keltischen Mythologie und Religion hat. Vielleicht sollte ich für nächstes Jahr schon einmal für diesen Zeitraum buchen.

1152 hat König David I. von Schottland Peebles den Rang einer Royal Burgh verliehen. Und aus dieser Zeit gibt es sogar noch den Turm der St Andrews Kirche, während das auf der Hauptstraße stehende Mercat Kreuz Peebles als alte Marktstadt ausweist. 20160707_214300Apropos Kirche, auf einem Straßenschild lese ich Cross Kirk. Scots, eine westgermanische Sprache, die in den schottischen Lowlands, den Southern Uplands und in den Regionen um Glasgow und Edinburgh gesprochen wird, – nicht jedoch im ‚gälischen Schottland‘ der Highlands und Hebriden-Inseln – hört man hier nicht nur in der Aussprache, sondern findet es auch in der Schriftsprache – wie hier Blau auf Weiß. Scots ist übrigens nicht mit dem schottischen Englisch gleichzusetzen, der heutigen Amts- und Bildungssprache in Schottland, sondern eine eigene Sprache.

20160711_111521Mein erster Besuch in Peebles liegt inzwischen elf Jahre zurück. Damals erschien mir ein Ausflug in den gut 8.500 Einwohner zählenden Ort wie eine Fahrt in die große Stadt. Gemeinsam mit vier Bekannten genoss ich damals umgebende Natur und Einsamkeit in einem wunderschönen Ferienhaus in Drumelzier, einem Örtchen, das ebenfalls im Tal des Flusses Tweed und nur wenige Meilen von Peebles entfernt liegt. Direkt neben dem Haus plätscherte ein kleiner Bach und gleich dahinter stieg ein grüner Hügel an.20160712_104734 - Kopie

20160708_201132Doch als Alleinreisende ziehe ich diesmal die Geselligkeit in einem Hotel vor. Mit dem Mercure Peebles Baronet Castle Hotel habe ich Glück. Es sieht nicht nur von außen schön aus, es ist auch von innen ein Ort, an dem ich die nächsten fünf Tage verbringen will. Denn so lange werde ich mich in den Scottish Borders aufhalten, bevor es weitergeht in die Highlands. Nach einem ausgiebigen Abendessen im Hotelrestaurant mache ich mich auf den langen  Weg durch viele enge Flure zurück in mein Zimmer. Die Böden und sogar die Treppen sind hier mit großkarierten Teppichen belegt. Und dann glaube ich einen Moment lang tatsächlich zu träumen. In einem der Flure kommt mir ein festlich gekleideter und sehr attraktiver Mann mit schwarzen Haaren, Bart, Jackett, Weste, Hemd und Schlips entgegen. Ich wage einen Blick auf den unteren Teil seiner Bekleidung, der aus einem grün-blau-karierten Kilt und farblich passenden Strümpfen, einem Sporran (Geldtasche), einem Gürtel mit auffallender Schnalle sowie dem Sgian Dubhs (Messer) im Strumpf besteht. Abgerundet wird die Bekleidung von den passenden Ghillies Brogues (Schuhen) mit den besonderen Lochmustern und den mehrfach um die Fesseln geschlungenen Schnüren. Bei diesem Anblick verschlägt  es mir erst einmal die Sprache. Zum Glück ergreift der Mann das Wort und wir tauschen schließlich ein paar Höflichkeiten aus, während wir uns in dem zugegeben sehr engen Gang aneinander vorbei bewegen. Dabei stelle ich fest, dass der Mann sogar ein wunderschönes Lachen hat. Wird hier vielleicht ein Film gedreht und ich stehe gerade vor dem Helden der Geschichte? Einen Moment lang liegt mir tatsächlich die Frage auf der Zunge, ob ich vielleicht ein Foto von ihm … mein Handy wäre griffbereit. Doch dann sind wir zum Glück schon aneinander vorbei und ich habe mir diese Peinlichkeit erspart.

20160710_152937 - KopieGanz beschwingt erreiche ich mein Zimmer im dritten Stock, wo ich mich wie das Burgfräulein persönlich fühle und einen schönen Blick in den Schlossgarten habe. Und siehe da, das Rätsel löst sich. Dort unten versammeln sich gerade Gäste einer Hochzeitsfeier. Auch mein Held aus dem Gang trifft in diesem Moment ein. Und er ist nicht allein, denn als ich nun den Blick über die fröhliche Gesellschaft schweifen lasse, erkenne ich, dass mindestens ein Drittel der anwesenden Herren Kilt trägt. Ich bin wirklich wieder in Schottland …